Mittwoch, 30. Januar 2013

La musique de Montale IV


 "'Meine Alten sind okay. Das Glück haben nicht alle. Und dann Basketball ...' Er lächelte. 'Und dann gibt es ja noch 'chourmo'. Weißt du, was das ist?'
Ich wusste es. 'Chourmo', auf Provenzalisch 'chiourme', die Ruderer der Galeerenschiffe. Mit Galeeren und Knästen kannte man sich in Marseille aus. Es war nicht nötig, wie vor zweihundert Jahren, Vater und Mutter zu ermorden, um dort zu landen. Nein, heute reichte es, jung zu sein, Einwanderer oder nicht. Der Fanclub von Massilia Sound System, der ausgeflipptesten Gruppe von Raggamuffins, die es gab, hatte den Ausdruck aufgegriffen.
Inzwischen war 'chourmo' ein lockerer Zusammenhang, in dem man sich traf, und eine Unterstützer- und Fangruppe geworden. Sie waren etwa zweihundertfünfzig bis dreihundert und 'unterstützten' mehrere Musikgruppen wie Massilia, Fabulous, Bouducon, Black Lions, Hypnotik, Wadada ... Zusammen hatten sie jüngst ein echtes Höllenalbum herausgebracht. Im 'Ragga Baletti'. Da ging es hoch her am Samstagabend! Aioli!
 'Chourmo' kümmerte sich um die Soundsysteme, und mit Hilfe der Einnahmen wurde eine Fanzeitschrift herausgegeben; man verteilte Kassetten mit Live-Aufnahmen und arrangierte günstige Reisen, um die Bands auf ihren Tourneen zu begleiten. Mit den Ultras, den Winners oder den Fanatics im Stadium rund um Olympique Marseille lief es genauso. Aber das war für 'chourmo' nicht entscheidend. Entscheidend war, dass die Leute zusammenkamen. Sich 'mischen', wie man in Marseille sagt. Sich umeinander kümmern. Es gab einen 'chourmo'-Geist. Man gehörte nicht mehr zu einem Viertel oder einer Vorstadt. Man war 'chourmo'. Man ruderte in derselben Galeere! Um rauszukommen. Zusammen.
Rastafada eben!"



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