Mittwoch, 31. Juli 2013

Letzte Sätze #145

"Das ist meine Rache, und ich freue mich daran. Eine kleine Rache, zugegeben. Aber ich stehe dazu, ein mittelständischer Kleinbürger zu sein, dessen Leben sich zwischen kleinen Freuden und kleinen Rachefeldzügen abspielt."
Petros Markaris, "Der Großaktionär"

Dienstag, 30. Juli 2013

Letzte Sätze #144

"Zwar werden die Zeiten in absehbarer Zeit bestimmt nicht besser, doch zumindest können meine Tochter und Mania dafür kämpfen, dass es nicht noch schlimmer kommt."
Petros Markaris, "Zahltag"

Montag, 29. Juli 2013

Letzte Sätze #143

"Ich wurde hin und her geschleudert, überall Schmerzen, ein dumpfer Schlag gegen meinen Kopf, und noch einer, ich schob meine geballten Fäuste hin und her, um meinen Kopf zu schützen, ich lächelte ansatzweise, zog mich an einen sicheren Ort in meinem Kopf zurück und sah die Schuhsohle zu spät, die auf mein Gesicht zielte."
Deon Meyer, "Dreizehn Stunden"

Donnerstag, 25. Juli 2013

La musique de Montale XLV


„Die Lage in den nördlichen Vierteln hatte sich wieder angespannt. Sie spitzte sich täglich zu. Man brauchte nur jeden Morgen die Zeitung aufzuschlagen. Verwüstete Schulen in Saint-André, Angriffe auf Ärzte im Nachtdienst in La Savine oder städtische Angestellte in La Castellane, bedrohte Nachtbusfahrer. Dazu die im Verborgenen zunehmende Verbreitung von Heroin, Crack und all diesen Schweinereien, die den Jungs der Vorstädte Mut einimpften. Und den Verstand raubten. ‚Die beiden großen Plagen von Marseille‘, grölten die Rapper der Marseiller Gruppe IAM unaufhörlich, ‚sind Heroin und Front National.‘ Alle, die mit Jugendlichen zu tun hatten, spürten die Explosion nahen.“




Mittwoch, 24. Juli 2013

Letzte Sätze #142

"Und er nahm die Flasche Whisky und machte sich auf den Weg zu seinem Auto."
Reginald Hill, "Der Wald des Vergessens"

Dienstag, 23. Juli 2013

Letzte Sätze #141

"'Kommt er durch?', hörte er sich fragen. 'Sagen Sie mir, dass er durchkommt ...'"
Ian Rankin, "Ein Rest von Schuld"

Montag, 22. Juli 2013

Letzte Sätze #140

"Sie haben die Leiche aus dem Keller geschafft, und man hat sie in einem Feld verscharrt und über dem Grab die Rüben wieder sorgfältig eingepflanzt."
Jean-Patrick Manchette, "Die Affäre N'Gustro"

Sonntag, 21. Juli 2013

Letzte Sätze #139

"Auf dem Weg zur Stadt hinunter hielt ich vor einer Bar und trank ein paar doppelte Scotch. Sie halfen mir auch nicht weiter. Sie erweckten in mir nur die Erinnerung an Silberperückchen, und ich habe sie nie wiedergesehen."
Raymond Chandler, "Der große Schlaf"

Samstag, 20. Juli 2013

La musique de Montale XLIV

"Draußen knallte mir die Sonne voll ins Gesicht. Ich hatte den Eindruck, das Leben wieder gefunden zu haben. Das richtige Leben. Wo das Glück aus einer Ansammlung kleiner, unbedeutender Nichtigkeiten besteht. Ein Sonnenstrahl, ein Lächeln, Wäsche, die vor einem Fenster trocknet, ein Junge, der eine Konservendose vor sich her kickt, eine Melodie von Vincent Scotto, ein leichter Windstoß unter den Rock einer Frau ..."



Freitag, 19. Juli 2013

Donnerstag, 18. Juli 2013

Letzte Sätze #137

"Draußen hörte ich die Kinder singen:
'Am besten läuft man so wie wir, setzt einen Fuß vor den anderen und beginnt wieder von vorn.'"
Patrick Pécherot, "Belleville - Barcelona"

Mittwoch, 17. Juli 2013

Letzte Sätze #136

"Ich nahm den Hörer ab und begann, die nötigen Anrufe zu machen."
Ross Macdonald, "Dornröschen war ein schönes Kind"

Dienstag, 16. Juli 2013

Letzte Sätze #135

"Kamerad. Das klang komisch. Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen, während sich mich festnahmen.
Kameraden ..."
Patrick Pécherot, "Boulevard der Irren"

Sonntag, 14. Juli 2013

Letzte Sätze #134

"Das wird die sensationellste Story, die je geschrieben wurde!"
Georg M. Oswald, "Party Boy"

Samstag, 13. Juli 2013

Letzte Sätze #133

"Im Schlaf hat er gerade die Position 'Anschlag liegend' eingenommen."
Jean-Patrick Manchette, "Position: Anschlag liegend"

Freitag, 12. Juli 2013

Letzte Sätze #132

"Und dann schlief er ein, um nie wieder aufzuwachen."
Anne Holt, "Die Wahrheit dahinter"

Donnerstag, 11. Juli 2013

Marseille und sein Krimi-Poet


Marseille: Die Gangsterhauptstadt Frankreichs lockt in diesem Jahr als Kulturhauptstadt Europas die Touristen. Ein Geheimtipp für Liebhaber war die Hafenmetropole am Mittelmeer schon immer. Wer sie wirklich verstehen will, sollte vielleicht die Romane von Jean-Claude Izzo lesen.
„Woher man auch kommt, in Marseille ist man zu Hause“, schreibt Jean-Claude Izzo. Der Mann muss es wissen, denn Marseille war seine Stadt. Hier wurde er 1945 geboren, hier starb er im Jahr 2000 – dazwischen lebte und liebte er Marseille. Marseille, das war für Izzo, dessen Vater italienischer Herkunft war und dessen Mutter aus Spanien stammte,  „ein Hafen der Exilanten“, eine „offene Tür“, ein Ort für Toleranz und Menschlichkeit, kurz : „Marseille ist meine Weltkultur.“
 
Als Journalist lernte Izzo auch die dunkle Seite der Stadt kennen. Insiderwissen, das sich in Drehbüchern und Romanen niederschlug, von denen die drei Bände „Total Cheops“, „Chourmo“ und „Solea“ die bekanntesten sind.  Izzos „Marseille-Trilogie“, mit Alain Delon in der Hauptrolle verfilmt, erzählt die Geschichte des Polizisten Fabio Montale, der gegen Korruption, Rassismus und organisiertes Verbrechen kämpft.

Montale, der wie Izzo einer Migrantenfamilie entstammt, ist ein Mann der Straße. Ein Flic, der seine Herkunft aus dem ärmlichen Panier-Viertel, dem „alten Herzen von Marseille“, nicht vergessen hat. Auch nicht, dass er als Jugendlicher hier mit Freunden selber ein paar krumme Dinger gedreht hat. Und dass er Verständnis aufbringt für die gegen ihr gesellschaftliches Abseits aufbegehrenden Jugendlichen der Vorstädte, bringt ihn natürlich in Konflikt mit dem Polizeiapparat, bis er schließlich den Dienst quittiert …

Die „Marseille-Trilogie“ ist spannende, temporeiche, glänzend geschriebene Kriminalliteratur in der Tradition von Autoren wie Leonardo Sciascia und dem französischen Neo-Polar Jean-Patrick Manchettes. Sie ist aber auch ein Reiseführer in ein Marseille jenseits der über die Stadt wachenden Notre-Dame de la Garde, „die tagsüber in der Sonne und nachts unter den Scheinwerfern glänzt“. Mit Montale flaniert der Leser nicht nur am Alten Hafen entlang und schlendert über die Canebière, er steigt eben auch ins Panier-Quartier empor. Jenes Viertel, das die Deutschen Izzo zufolge 1943 am liebsten abgerissen hätten, „weil sie es wegen der engen Gassen nicht kontrollieren konnten“.
 
Wer mit Izzo Marseille besucht, wird sich nicht in den Touristenrestaurants neppen lassen. Stattdessen lernt er die wahre Küche der Hafenstadt kennen – in kleinen Lokalen und Garküchen, deren Speisekarten nicht üppig, aber typisch sind. Angefangen bei den „tausend möglichen Rezepten der Bouillabaisse“ über Couscous und nordafrikanische Tajine bis zur Paella oder schlichten Nudeln mit Fleischbällchen. Wichtig ist für Izzo bei Tisch vor allem eines: „Essen ist ein Fest.“ Egal, ob „zu Hause oder im Restaurant, in der Familie oder unter Freunden“. Ein Fest ist für den Genießer auch der Besuch der Märkte mit ihrem „Aufruhr der Sinne“. Dort, wo man die „Seele der Stadt“ findet,  stehen bei Izzo neben Fisch, Fleisch, Gemüse und Kräutern stets drei Dinge auf dem Einkaufszettel: Knoblauch, Basilikum und Rotwein.

Marseille ist für Izzo aber auch eine Stadt der Musik – mit einer ganz eigenen Vielfalt der Genres und Stile. Eine Stadt, die „multikulturell, multirassisch und zwangsläufig multimusikalisch“ ist, hat neben Verdi und Mainstream-Pop eben auch Rap, Raï, Ragga ebenso wie brasilianische Musik, Flamenco-Jazz und italienische Tanzmusik zu bieten. Auch die Montale-Romane sind von einem vielgestaltigen Soundtrack unterlegt – und nicht von ungefähr sind zwei Bände nach Musiktiteln benannt: „Chourmo“ ist ein Album der Marseiller „Massilia Sound System“-Rapper, „Solea“  ein Stück von Miles Davis.
Der schon in den 80ern und frühen 90ern geplanten Modernisierung Marseilles durch zugereiste Stadtplaner und einheimische Geschäftemacher stand Izzo mehr als skeptisch gegenüber. Er tröstete sich damit, „den alten Leuten zuzuhören, die erklären, dass dieses Großprojekt (…) nicht vorankommen wird. Das macht der Wahnsinn dieser Stadt“.  Deshalb wäre der literarische Sohn des alten Marseille sicher nicht mit allem einverstanden gewesen, was unter dem Vorwand des Kulturhauptstadtjahres abgerissen oder neu gebaut wurde. Und er hätte sich geärgert, dass die Jugend der Vorstädte wieder mal von den gigantischen Investitionen kaum profitiert.

Marseille wende dem Kontinent den Rücken zu, die Stadt schaue stattdessen aufs Mittelmeer – das war Izzos Grundüberzeugung. Deshalb hätte er dem spektakulärsten Neubau, dem neuen „Musée des civilisations de l’Europe et de la Méditerranée (MuCEM, Museum der Zivilisationen Europas und des Mittelmeers) seine Zustimmung wohl nicht völlig verweigert – unter einer Bedingung: dass man aus dem Mittelmeer nicht „eine Grenze zwischen Orient und Okzident macht, zwischen Morgenland und Abendland; und uns von Afrika und Kleinasien abschnürt“.
Allerdings hätte er dem Marseille-Touristen ganz sicher geraten, vor dem Besuch des dem mittelalterlichen Fort Saint-Jean gegenüberliegenden Glasbaus sich zunächst mal im Panier und den anderen Altstadtquartieren treiben zu lassen. Bei einem Pastis in einer der schlichten, aber authentischen Bars, die man hier noch findet, hätte er dann gesagt: „Weißt du, Marseille muss man in sich eindringen lassen.“

Jean-Claude Izzo, „Die Marseille-Trilogie: Total Cheops. Chourmo. Solea”, 669 Seiten, Unionsverlag, 14,95 Euro.

(Text leicht gekürzt erschienen in: Nordsee-Zeitung, 10. Juli 2013, S. 4)

Letzte Sätze #131

"Die Kleine. Ich darf die Kleine nicht aus den Augen verlieren."
Dieter Paul Rudolph, "Arme Leute"

Sonntag, 7. Juli 2013

Letzte Sätze #130

"Er wusste nicht, wohin er ging; es war ihm auch völlig gleichgültig."
David Goodis, "Schwarzer Freitag"

Samstag, 6. Juli 2013

Letzte Sätze #129

"'Er war ein netter Kerl, stimmt's?', sagte Rocco im Plauderton, und sein Blick glitt über die Menge. 'Wer, zum Teufel, soll so jemanden schon umlegen wollen?'"
Richard Price, "Clockers"

Donnerstag, 4. Juli 2013

Letzte Sätze #128

"Noch eine Runde. Le Dem hebt sein Glas.
'Wenn man unter Reitern anstößt, was ziemlich oft vorkommt, sagt man: ›Auf unsere Pferde, auf unsere Frauen, und auf die, die sie besteigen.‹'
Wieherndes Gelächter."
Dominique Manotti, "Zügellos"

Dienstag, 2. Juli 2013

La musique de Montale XLIII


„Sie waren zu acht. Sechzehn bis siebzehn Jahre alt. Sie kamen vom Alten Hafen herauf. Wir warteten in der Metrostation des Bahnhofs Saint-Charles auf sie. Sie hatten sich im vorderen Teil eines Wagens breit gemacht. Auf den Sitzen stehend schlugen sie zum Rhythmus aus dem Kassettenrecorder gegen Wände und Scheiben, als seien es Trommeln. Die Musik im Blut. Rap, natürlich. IAM erkannte ich. Eine Top-Band aus Marseille. Sie war oft auf Radio Grenouille zu hören, dem Gegenstück zu Nova in Paris. Es brachte alle Rap- und Ragga-Gruppen aus Marseille und dem Süden. IAM, Fabulous Trobadors, Bouducon, Hypnotic, Black Lions. Und Massilia Sound System, die im Milieu der Fanclubs der Ultras in der südlichen Kurve der Radrennbahn geboren wurden. Das Ragga- und Hip-Hop-Fieber hatte von der Gruppe auf Anhänger von Olympique Marseille und schließlich auf die ganze Stadt übergegriffen.
(…)
Und es schlug und schlug im Zug. Tam, tam, tam aus Afrika, der Bronx und vom Mars. Rap war nicht mein Fall. Aber die Texte von IAM, das musste ich zugeben, kamen gut. Schön und gut. Außerdem hatten sie Groove, wie man sagt. Ich brauchte nur den beiden Jungen zusehen, die vor meiner Nase tanzten.
Die Passagiere hatten sich in den hinteren Teil des Wagens zurückgezogen. Sie senkten die Köpfe, als hörten und sähen sie nichts. Sie dachten sich trotzdem ihren Teil. Aber wozu das Maul aufreißen? Um einen Messerstich zu kassieren? An der Station zögerten die Leute einzusteigen. Sie drängten sich im hinteren Teil zusammen. Seufzend und zähneknirschend, im Kopf den Traum einer Tracht Prügel. Und von Mordgelüsten.“