Freitag, 29. Mai 2015
Dienstag, 26. Mai 2015
Letzte Sätze #320
„Weit draußen, wo der Horizont verschwamm und Nebel
aufstieg, sah ich etwas auf der Wasseroberfläche treiben. Es bewegte sich vor
und zurück, wie eine Boje in der Strömung. Ich konnte nicht so recht erkennen,
was es war, lediglich einen schlanken weißen Körper und etwas, was aussah wie
ein goldener Helm. Es schien näher zu kommen, auf die Küste zuzutreiben. Ich
beobachtete es, bis die Sonne unterging und der Himmel dunkel wurde. Dann ging
ich zu Bett und träumte von meiner jüngsten Vergangenheit.“
Buddy Giovinazzo, „Piss in den Wind“
Montag, 25. Mai 2015
Merle Kröger, "Havarie": Das Drama auf dem Meer
Zwölf Seemeilen vor der spanischen Küste passiert es: Zwei
Welten kollidieren. Hier die „Spirit of Europe“, eines der größten
Kreuzfahrtschiffe der Welt, dort das kleine Schlauchboot, dem im Nebel der
Sprit ausgegangen ist. Was sich wie eine alltägliche Nachricht liest, rückt die
deutsche Autorin Merle Kröger in ihrem spannenden neuen Buch „Havarie“ ganz nah
an den Leser heran.
Das Elend der Flüchtlinge und das gelangweilte Desinteresse
im reichen Europa, sie haben viel miteinander zu tun. Diese Erkenntnis blitzt
bei der unvoreingenommenen Lektüre dieses wie ein Thriller geschriebenen Romans
schmerzhaft auf. Wie der deutschen Drehbuchautorin Merle Kröger (Jahrgang 1967)
das gelingt, ist brillant. Quasi dokumentarisch fächert der fiktive Text in
filmisch ineinander geschnittenen Szenen Leben und Schicksale der Protagonisten
auf.
Da ist der syrische Arzt, der vor dem Terror Assads
flüchtet, dort die gelangweilte Millionenerbin, die eine Kreuzfahrt als
Jagdrevier für amouröse Abenteuer versteht. Hier der junge Algerier, der dem
perpektivlosen Stillstand seiner Heimat zu seiner Verlobten nach Frankreich
entkommen will, dort der Sicherheitsoffizier der US-Reederei, der sich seine
Karriere nicht durch unvorhergesehene Probleme an Bord vermasseln will. Hier
der arbeitslos gewordene Fischer, der bei der spanischen Seenotrettung eine
neue Lebensperspektive gefunden hat, dort der ukrainische Maschinist, der auf
seinem Frachter den Einberufungsbefehl für den Einsatz im Bürgerkrieg erhält.
Was zur moralischen Anklage mit erhobenem Zeigefinger
geraten könnte, gewinnt bei Kröger menschliche Tiefe. Kein Schwarz-Weiß,
sondern in verschiedensten Grautönen changierende biografische Schlaglichter
geben jeder Person Profil. Wohl auch deshalb packt den Leser das
Drama dieser wagemutigen Überfahrt, die bei einem Unwetter auf offenem Meer zur
Katastrophe zu werden droht.
Ein Schlüsselmoment für ihren Roman seien Videoaufnahmen von
der Begegnung eines Kreuzfahrtriesen mit einem Flüchtlingsboot gewesen, sagte
Merle Kröger kürzlich in einem Interview mit Deutschlandradio Kultur. Daraus
habe sich für sie die Frage entwickelt, wer da eigentlich derzeit auf dem
Mittelmeer unterwegs sei: „Wie kann man daraus Biografien ableiten, die die
Leute in dem Schlauchboot und die Leute auf dem Kreuzfahrtschiff und die Leute,
die auf den Frachtern fahren, und die Leute, die auf den Seenotrettungskreuzern
fahren, auf eine Augenhöhe bringen?“
Eine Aufgabe, der die 1967 in Plön geborene und heute
in Berlin lebende Autorin auf beeindruckende Weise gerecht geworden ist.
„Havarie“ ist nicht nur spannende Literatur, es ist auch eine hochaktuelle
Dokumentation, die die täglich über die Mattscheibe flimmernden und doch sehr
weit weg wirkenden Bilder der Flüchtlingskatastrophe vor der Haustür Europas
auf berührende Weise erklären und nahebringen.
(Aus: Nordsee-Zeitung, 22.5.2015, S. 6)
Donnerstag, 21. Mai 2015
Wiedergelesen (Erste Sätze #1)
„,Es geht um meinen Onkel‘, sagte der Mann am Telefon. ,Er
ist weg. Wir haben ihn im Sturm verloren.‘“
Sara Gran, „Die Stadt der Toten“
Montag, 18. Mai 2015
Letzte Sätze #319
„Wir wuschen seinen alten Jeep, und wir wienerten den Lack,
bis er wieder glänzte. Wir brachten den Jeep, so gut wir konnten, wieder in
Ordnung und mit ihm auch alles andere.“
Robert Crais, „Straße des Todes“
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